Die Vergangenheit im Trend: Vintage und Retro

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Vintage Und Retro

Was genau versteht man eigentlich unter Vintage und Retro? Vor ein paar Monaten kam die Redaktion des Schweizerischen HauseigentĂŒmerverband auf mich zu und bat mich darum, mich an einem Artikel zu diesem Thema fĂŒr ihre Zeitung zu beteiligen. Da es fĂŒr keinen dieser Begriffe eine exakte Definition gibt, war mir von Anfang klar, dass meine Auffassung möglicherweise von derjenigen anderer Experten abweichen wĂŒrde. In diesem Blogbeitrag möchte ich meine Definition umschreiben und euch gleichzeitig – wie schon in meinem Beitrag zum Design des frĂŒhen 20. Jahrhunderts – auf eine Reise in die Vergangenheit entfĂŒhren, zurĂŒck in die 1950er und 1960er Jahre.

Interior design 50's and 60's

Raumgestaltung in den 1950er und 1960er Jahren (Bild unten links : Eames-Haus, Kalifornien)

Vintage oder Retro?

Der Vintage Stil sucht meiner Ansicht nach seine Inspiration in den 1940er und 1950er Jahren, also die Kriegs- und Nachkriegsjahre des 2. Weltkriegs. Damals war Holz das am hĂ€ufigsten verwendete Material. Abgesehen von einigen Tapeten und VorhĂ€ngen mit Blumenmotiven waren die Farben meist gedĂ€mpft und Erdtöne besonders beliebt. Echte Vintage Möbel aus dieser Zeit sind sehr im Trend und ihr Design inspiriert noch bis heute auch zeitgenössische Gestalter. Eines der Merkmale dieser Möbel sind die typischen Beine, wie man sie bei SchrĂ€nken, StĂŒhlen, Sesseln und Tischen wiederfindet: konisch zulaufend, mit rundem oder quadratischem Profil.

Retro hingegen bezieht sich nach meinem VerstĂ€ndnis auf die Zeitspanne zwischen den 1960er und 1980er Jahren. Die ersten Jahre dieser Phase zeichneten sich durch die Verwendung von Kunststoff aus, sowie durch krĂ€ftige Farben und wilde Muster. Wenn wir noch klobige Formen zu dieser Mischung hinzufĂŒgen, sind wir beim Look der 1980er gelandet. Es gibt auf dem Markt einige Originale, viele StĂŒcke sind aber neueren Datums und Imitationen dieses Stils.

Life in the 50's and 60's

Im Uhrzeigersinn von oben links: Neil Armstrong, Winston Churchill, Charles und Ray Eames, Elvis Presley.

Es ist jeweils faszinierend auch den historischen Hintergrund einer Stilrichtung zu erforschen, weil er oft sehr spannende Einsichten bietet. Architektur, Innenarchitektur und Möbel-Design wurden schon immer stark vom sozio-ökonomischen Kontext ihrer Zeit beeinflusst. Die 1950er Jahre waren stark von den Nachwirkungen des 2. Weltkriegs geprĂ€gt. Sie waren der Beginn einer vollkommen neuen Ära, insbesondere was die politischen KrĂ€fteverhĂ€ltnisse betraf. Der Krieg hatte einen grossen Teil der industriellen Infrastruktur zerstört und zum Zusammenbruch der europĂ€ischen Volkswirtschaften gefĂŒhrt. Zahlreiche Menschen hatten ihr Heim verloren oder waren obdachlos. Die Folge war eine allgemeine Verknappung der Waren und somit auch von EinrichtungsgegenstĂ€nden.

Es kam vorerst zu einer Art Stillstand im Bereich der Innengestaltung und die Bevölkerung behalf sich mit dem Wenigen, das sie hatte. Gleichzeitig mit der Erholung der Wirtschaft begannen die Menschen die Zukunft wieder optimistischer zu sehen, was sich auch in der Entwicklung des Designs zeigte. Dazu kamen wichtige technologische Fortschritte in den 1950er und 1960er Jahren, man denke nur an den ersten Videorekorder, den ersten Menschen im Weltraum oder die Mondlandung von Neil Amstrong.

Architecture 50's and 60's

Britische Schulen im brutalistischen Stil und Hochhaussiedlungen in London.

Architektur

Im Zuge der weiteren Entwicklung der Architektur der Moderne wurde ab den 1950er Jahren der brutalistische Stil zunehmend populÀr, ein Erfolg der bis Mitte der 1970er Jahre anhielt. Der Begriff wurde vom französischen Wort «brut» abgeleitet (wörtlich: roh) und bezieht sich auf rohen Beton («béton brut»), den bevorzugten Werkstoff der Vetreter dieser Strömung. Insbesondere Schulen und andere öffentliche GebÀude wurden im brutalistischen Stil erbaut und die ersten Hochhaussiedlungen entstanden. Merkmale waren geradlinige Formen, unbehandelte, rohe OberflÀchen ohne Verzierungen, offene InnenrÀume sowie die Verwendung von Glas, Stahl und armiertem Beton.

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Im Uhrzeigersinn von oben links: typischer RadioempfĂ€nger (ab 1940), Vintage-Telefon, Werbung fĂŒr einen KĂŒhlschrank mit Gefrierfach (1950er Jahre), Toaster-Werbung (1950er Jahre), Pin-Up-Art

Innenarchitektur

Die schnellen technologischen Fortschritte, der wachsende Konsum und die VerĂ€nderungen der Lebensgewohnheiten der Menschen hatten einen nachhaltigen Einfluss auf die Innenarchitektur. Das FernsehgerĂ€t wurde zum Mittelpunkt des Hauses und mit den modernen HaushaltgerĂ€ten verĂ€nderten sich auch die Einrichtung und Gestaltung der KĂŒchen, welche mehr und mehr zu einem Teil des restlichen Wohnraums wurden. Auch das Aufkommen der Zentralheizung bewirkte eine grundlegende VerĂ€nderung im hĂ€uslichen Zusammenleben, da es den Bewohnern nun möglich war, grössere Teile der WohnrĂ€ume gleichzeitig zu nutzen. Die Bevölkerung begann sich vermehrt fĂŒr Design zu interessieren und die Nachfrage nach neuen und ungewöhnlichen Design-Objekten stieg stark an. Der vorherrschende Stil war hĂ€ufig eklektisch und enthielt MöbelstĂŒcke verschiedenster Art. Viele der heute bekannten Möbel-Manufakturen, wie zum Beispiel Knoll International, Fritz Hansen und Vitra, entstanden in dieser Zeit und sind noch immer im Besitz der Patente fĂŒr die Produktion der Möbel, die damals entworfen wurden.

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Design-Ikonen aus den 1950er Jahren, darunter der «Standard Chair», der Ei-Sessel («Egg Chair»), der «Wire Chair» aus Drahtgeflecht und der «Eames Lounge Chair».

Möbel

In den spĂ€ten 1940er und den 1950er Jahren enstand der Skandinavische Stil, der fĂŒr seine Schlichtheit, seinen Minimalismus und seine FunktionalitĂ€t bekannt wurde und das europĂ€ische Design seither massgeblich beeinflusst hat. Die Idee, schöne und funktionale AlltagsgegenstĂ€nde fĂŒr die breite Bevölkerung zu entwerfen und herzustellen, bekam den Charakter einer sozialen Bewegung, die erst durch die VerfĂŒgbarkeit von billigen Materialen und durch die Massenproduktion ermöglicht wurde. IKEA, der heute grösste MöbelhĂ€ndler, wurde 1943 in Schweden vom damals 17-jĂ€hrigen Ingvar Kamprad gegrĂŒndet. Mit der GrĂŒndung von IKEA wurde Design mehr denn je zum erschwinglichen MassenphĂ€nomen.

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Typische StĂŒcke der 1960er Jahre, darunter der Kugelsessel («Ball Chair»), der Kegelsessel («Cone Chair») und der freischwingende «Panton Chair».

Design und mehr

In den spĂ€ten 1950er und den 1960er Jahren wurden die Inneneinrichtungen markanter und bunter, Kunsstoff war nun das bevorzugte Material fĂŒr moderne Möbel. Der DĂ€ne Verner Panton war einer der einflussreichsten Designer des 20. Jahrhunderts und Schöpfer des nach ihm benannten Panton Chair, des ersten aus einem StĂŒck gefertigten Volllkunststoff-Stuhls.

Aber nicht nur Innenarchitekur und Möbeldesign verĂ€nderten sich gegen Mitte des letzten Jahrhunderts enorm, auch Kunst, Musik und Mode erlebten grosse UmwĂ€lzungen. Pin-Up-Art, Pop Art, Miniröcke und Rock ’n’ Roll prĂ€gten das Jahrzehnt in gleichem Mass.

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Im Uhrzeigersinn von oben links: Pop-Up-Art von Andy Warhol, elektrische Gitarre (1960er), Pop-Up-Art (A. Warhol), Mode der 1960er Jahre, Vintage-TV-GerÀt, Waschmaschinen-Werbung von 1950.

Ich hoffe, die kleine Reise in die Vergangenheit mit mir hat euch so viel Spass bereitet, wie mir das Recherchieren und Stöbern nach Bildern aus der Zeit. Einige von euch haben sicher vor allem das Schwelgen in alten Zeiten genossen. Vielleicht ist es mir aber gelungen, den einen oder die andere zu inspirieren, wieder einmal den Flohmarkt zu besuchen oder einen Blick in die Vintage Boutique in der NĂ€he zu werfen, auf der Suche nach echten Vintage und Retro Möbeln und GegenstĂ€nden… Was mich betrifft, so habe ich beim Verfassen dieses Beitrags noch einmal ein ganz neues VerstĂ€ndnis und eine besondere WertschĂ€tzung fĂŒr jene Zeit gewonnen. Wer weiss, vielleicht begegnen wir uns ja schon bald einmal auf der Jagd nach dem besonderen StĂŒck, das unserem Zuhause noch fehlt… 😉

Herzlichst,

Simone

About the Author

Interior Designer and Blogger

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I’m Simone Aïda Baur and I invite you to embark on a design journey with me. My blog is your passport to global inspirations and where I share my passion and discoveries from the world of interior design.

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